Von Tokio nach Düsseldorf:
Die japanische Buchhandlung Takagi schlägt seit 50 Jahren eine Brücke zwischen Japan und Europa
Vor 50 Jahren eröffnete die Familie Takagi die erste japanische Buchhandlung in Europa. Mit Zeitungen, Nachrichtendiensten und einem eigenen Fuji-Foto-Labor schlugen Tsunejiro und Atsuko Takagi als Pioniere eine Brücke zwischen den Ländern. Tochter Yurie führt die Tradition heute mit eigenen Ideen weiter.
Er ist in vielerei Hinsicht ein Pionier – und hat mit seinem Engagement dazu beigetragen, eine Brücke zwischen Japan und Deutschland zu schlagen: Tsunejiro Takagi. Um dieses Ziel zu erreichen, ist ihm immer wieder etwas Neues eingefallen. Vor 50 Jahren war es die Idee, mit seiner Familie die erste japanische Buchhandlung in Europa zu eröffnen, in Düsseldorf an der Immermannstraße 31 – mitten in dem Viertel, das heute „Little Tokyo“ genannt wird. Tatsächlich befindet sich die Buchhandlung an der gleichen Stelle wie zur Zeit ihrer Gründung. „Das hat schon so manchen Gast aus Japan, der nach Jahren wieder nach Düsseldorf kam, zu Tränen gerührt. Die Leute freuen sich, dass wir noch da sind“, erzählt Yurie Takagi. Die Tochter des Gründers führt heute das Geschäft gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Stefan Böhm – unter ganz anderen Vorzeichen: Während der Vater seinerzeit die Japaner, die im Ausland lebten, mit Nachrichten aus der Heimat versorgte, sind Yurie Takagis Kunden heute vor allem Leute, die sich für die japanische Kultur interessieren.
Die Informationen fließen immer schneller
Als die Familie Takagi 1964 nach Deutschland kam, waren die Zeiten des Internets noch fern und Nachrichten aus Japan brauchten Wochen, um Europa zu erreichen. Tsunejiro Takagi half, das zu ändern: Er verließ die südjapanische Stadt Fukuoka, um für den Overseas Courier Service (OCS) zu arbeiten – erst in Tokio, dann in Hamburg. Dorthin wurden japanische Zeitungen geflogen, um die Japaner, die für Firmenniederlassungen in Deutschland arbeiteten, besser zu informieren. Von der Elbe aus schickte Takagi sie mit dem Zug weiter. Wieder dauerte es Tage, bis sie in der aufstrebenden japanischen Kolonie Düsseldorf ankamen. „Zu lange“, befand man dort – und als Konkurrenz im Nachrichtengeschäft drohte, zog Takagi an den Rhein, um dort eine OCS-Agentur zu gründen. Mit dabei: Ehefrau Atsuko, die er noch in Japan bei OCS kennengelernt und in Hamburg geheiratet hatte, sowie die dort geborene Tochter Yurie und Sohn Kenji.
Japanische Bestseller kommen nach Europa
Seine nächste Herausforderung sollte nicht nur sein Leben, sondern auch das seiner Familie von nun an prägen. Der damalige Geschäftsführer der Bank of Tokyo Düsseldorf wollte den aktuellen Bestseller der Erfolgsautorin Yamazaki Toyoko lesen und bat Takagi um Hilfe. „Ich sprach mit unserem Großhändler Tohan, mit dem wir bis heute zusammenarbeiten. Meine Frage war: Lohnt es sich, in Deutschland eine Buchhandlung für Japaner zu eröffnen? Nur wenn die Kunden aus ganz Europa kommen, lautete die Antwort.“
Tsunejiro und Atsuko Takagi wagten den Schritt und am 17. Oktober 1974 gab es eine Premiere: die Eröffnung der ersten japanischen Buchhandlung in Europa. Der heute renommierte Architekt Kazuhisa Kawamura war für die zeitgemäße Einrichtung verantwortlich. Als Student konnte er damals mit diesem Projekt sein Können unter Beweis stellen. „Die Bücher für die Eröffnung kamen direkt von der Frankfurter Buchmesse und waren brandaktuell“, erzählt Atsuko Takagi. Alles, was die Takagis danach bestellten, wurde einmal im Monat auf dem Seeweg über Rotterdam nach Düsseldorf geliefert. Alte Zeitungsausschnitte dokumentieren das breit gefächerte Sortiment von damals: Kinderbücher standen ebenso im Regal wie Tageszeitungen und Magazine, auch die japanische Ausgabe des „Playboy“.
Eine eigene Zeitung erscheint
Zweimal im Jahr reiste Tsunejiro Takagi nach Tokio, um die Neuerscheinungen zu sichten. Noch heute strahlt er, wenn er erzählt, nach welchen Kriterien er die Bücher auswählte: „Ich hatte die Gesichter meiner Kunden vor Augen – Männer, Frauen, Kinder…“ Verkaufsschlager in den 70er Jahren waren Reiseführer für diejenigen, die nicht nur Deutschland, sondern auch Italien, Frankreich oder die Schweiz bereisen wollten. Doch Takagi versorgte die Japaner im Ausland auch noch auf anderen Wegen mit Informationen: Bis Mitte der 90er Jahre gab er für sie eine eigene Zeitung in japanischer Sprache heraus: „Das Leben in Europa“. Er recherchierte und schrieb die Texte meist selbst, engagierte aber auch andere Autoren. Andreas Meckel, Geschäftsführer des Deutsch-Japanischen Wirtschaftsförderungsbüros in Düsseldorf, verfasste beispielsweise die Kolumne: „Japaner aus der Perspektive eines Deutschen“. Zur gleichen Zeit betrieben die Takagis auch einen eigenen Kiosk, gleich neben der Buchhandlung im Hotel Nikko (heute Clayton Hotel).
Das kleine Medienimperium wächst
Inzwischen hatten die Eheleute alle Hände voll zu tun, denn das kleine Medienimperium weitete sich aus: Ab 1977 besprach Tsunejiro Takagi täglich ein Tonband mit aktuellen Nachrichten aus Japan. Diese waren über die Deutsche Post telefonisch abrufbar – und Anrufer aus aller Welt, von Südafrika bis in die arabischen Staaten, nutzten diese Möglichkeit gerne. Der nächste Schritt schien nur logisch: Der Unternehmer, der stets das richtige Gespür für die Bedürfnisse der Zeit bewies, organisierte die Zusammenarbeit der japanischen Nachrichtenagentur Jiji-Press mit der Deutschen Presseagentur (dpa): Ein reger Informationsaustausch entwickelte sich, zunächst per Telex und später per Telefax.
1986 organisierte Tsunejiro Takagi, dass Inhalte der japanischen Tageszeitungen Asahi Shimbun und Nikkei Shimbun per Satellit ins niederländische Heerlen übertragen und dort gedruckt wurden. „Dank der Zeitverschiebung konnten wir unseren Landsleuten, die in Düsseldorf lebten, noch am späten Abend die aktuelle Ausgabe des nächsten Tages in den Briefkasten stecken“, erzählt der Unternehmer. Eine logische Folge des immer schneller werdenden Informationsflusses: Der quirlige Medienexperte sorgte 1991 dafür, dass in der Buchhandlung an der Immermannstraße die Abonnements für das japanische Satellitenfernsehen (JSTV) entgegengenommen wurden.
Damit nicht genug: Tsunejiro Takagi betätigte sich, unterstützt von seiner Familie für seine Landsleute als Makler und gründete zusammen mit einem japanischen Bekannten ein Reisebüro. Heute sagt er bescheiden über seine Rolle: „Ich war ja nur der Geschäftsführer.“ Und weil zum Reisen auch das Fotografieren gehört, unterhielt die Familie Takagi zeitweise ein eigenes Fuji-Foto-Labor zur Entwicklung von Bildern im „Hotel Nikko“.
Derweil florierte die Buchhandlung und wuchs von anfangs 75 Quadratmetern auf mehr als das Fünffache: „1994 füllten unsere Bücherregale 500 Quadratmeter – sie reichten sozusagen um die Ecke, weil wir damals einen Durchbruch zur Oststraße gemacht haben. Damit war sie die größte japanische Buchhandlung Europas“, erzählt Yurie Takagi.
Yurie Takagi gründet neu – mit eigenen Ideen
Im Jahr 2004 beschloss Yurie Takagis Vater in den Ruhestand zu gehen und verkaufte sein Unternehmen T. Takagi GmbH. Ein wichtiges Ziel von da an: mehr Zeit für sein geliebtes Hobby Golf zu haben. Schließlich gehört Tsunejiro Takagi zu den Mitbegründern des Kosaido-Golfclubs in Düsseldorf und ist mehrfacher Clubmeister. Zu guter Letzt veröffentlichte er noch ein Buch, in dem er die Erinnerungen von Geschäftsleuten aus seiner Heimat sammelte, die zwischen 1964 und 2004 zeitweise am Rhein lebten.
Im Jahr 2005 machte sich Tochter Yurie Takagi mit Ihrem Lebensgefährten Stefan Böhm mit „Takagi – Books & More“ selbstständig und führt die Tradition der Eltern mit eigenen Ideen fort. Sie ist die geborene Brückenbauerin zwischen beiden Welten – in Deutschland kam sie auf die Welt, in Japan hat sie studiert. „Das Handwerk habe ich von meinen Eltern gelernt. Meiner Mutter konnte ich bei der Büroarbeit über die Schulter schauen und sie hat mir auch die Sprache näher gebracht. Während meines Studiums in Japan habe ich in Tokio bereits mit unserem Großhändler zusammengearbeitet“, erzählt sie.
Neue Kunden kennen Land und Leute
Yurie Takagi beobachtet, wie sich der Schwerpunkt bei „Takagi – Books & More“ verändert hat: „Japan und seine (Pop-)Kultur bilden heute den Inhalt der meisten Bücher – die Zeit der Zeitungen als Printausgaben ist vorbei. Unsere Kunden kommen meist aus Deutschland, sie lieben Japan, kennen sich immer öfter mit der Sprache aus.“ Auch eine Folge der Globalisierung: Japan ist heute erreichbar geworden, viele Kunden sind bereits dorthin gereist und halten sich über das Internet auf dem Laufenden. Ein Großteil des immer jünger werdenden Publikums interessiert sich für Mangas (japanische Comics) und Fan-Artikel, wie Figuren, Tassen und T-Shirts mit Manga-Motiven, sowie niedliche Schreibwaren aus Japan.
Yurie Takagi erinnert sich: Als Kind hat auch sie Mangas verschlungen, die seinerzeit in Deutschland unbekannt waren. „Dadurch habe ich den Zugang zur japanischen Sprache und Kultur bekommen.“ Die Buchhändlerin weiß: „Heute identifizieren sich viele Jugendliche mit Mangafiguren. Die Charaktere, denen sie nacheifern, finden sie in den Büchern in den Regalen von „Takagi – Books & More“. Doch nicht nur das: In der Buchhandlung kann man in Ruhe stöbern und immer etwas Neues entdecken. Die besondere japanisch-europäische Mischung des Sortiments ist ein Markenzeichen von „Takagi – Books & More“. Dazu gehören auch zahlreiche Merchandising-Produkte, vom Schlüsselanhänger bis zur Serviette mit einem Motiv der Satiresendung „Dinner for One“. Das Angebot von „Takagi – Books & More“ hat das ganze Jahr über seine Fans, nicht nur zum jährlichen Japan-Tag in Düsseldorf. Yurie Takagi: „Er lockt als zentrales Event viele Besucher aus ganz Deutschland an – darüber hinaus kommen viele Kunden auch in den Ferien zu uns und bleiben übers Wochenende oder länger in Düsseldorf, um einen Einblick in die japanische Kultur zu erhalten.“
Autorin: Natascha Plankermann